Arbeitstitel: Pfingsten das Fest der Erkenntnis


    Version 2 - März 2006


Pfingsten ist das Fest der Erkenntnis und der dadurch gewonnenen Ausdrucksfähigkeit; Ausdruck betrifft die Äußerungsfähigkeit des Menschen in Richtung anderer Menschen direkt oder durch ein Kunstwerk hindurch.
  Ausdrucksstärke ist die Domaine der Kunst, soweit sie es will, und so wie Expressivität in der Kunst nicht exklusiv äußere Form sein kann, mithin nicht im Materialistischen und Nihilistischen entstehen kann, ist die Bildung künstlerischer Ausdrucksstärke ein Prozeß des Erkennens.

Nun sind in der Gesellschaft mit einem Schritt beiseite parallele, gekoppelte Entwicklungen zu beobachten: das Vertiefen eines an Egozentrik gekoppelten Materialismusses in der Breite der Gesellschaft, dadurch eine reduzierte Wahrnehmung expressiver Kunst; weiter: das Zurückdrängen des selbstverantworteten Denkens zugunsten eines als solchen nicht mehr wahr genommenen mainstreams, dadurch ein Weniger an Kunst, die auf einen nicht auf die Person des Künstlers fixierten Erkenntnisprozeß baut; weiter: eine selbstzerstörerische Angleichung an die pessimistischen Fiktionen von Orwell und anderen, deren gemeinsames Hauptmerkmal die allgemeine Akzeptanz des Menschenunwürdigen in den beschriebenen Gesellschaften ist.

So bedurfte es nur eines kleinen Anstoßes, um das Konzept zu sehen, das sich um eine Folge von themenbezogenen Orgelimprovisationen entwickelt. Für die sieben Abende vor Pfingsten, vor dem Tag der Sprachfähigkeit, ist eine Entwicklung strukturiert, die bis zum Anbruch des Pfingstsonntages führt mit der abendlich, nächtlichen Verknüpfung von Improvisation an der Orgel und alternierend Literatur oder visuelle Kunst. In der folgenden Skizze ist ein mögliches Szenario beschrieben, das an die Gemeinde und die örtlichen Gegebenheiten angepaßt werden kann.

  So 19:00 - 19:30  Exposition des Textlichen und des Visuellen, Exposition von Improvisationsthemen aus Lautsprechern mit einem Orgelpunkt im doppelten Sinn
  Mo 19:30 - 20:00 Thema: Aufklärung
  Di 20:00 - 20:40 Thema: Die Klarheit der Mystik
  Mi 20:40 - 21:20 Thema: Rationalität und Transzendenz
  Do 21:20 - 22:00 Thema: Dialektik
  Fr 22:00 - 23:00 Thema: Existenz
  Sa 23:00 - 24:00 Thema: Zeit der Verknüpfungen
  Pfingsten Flächen sind angebracht und initialisiert durch die beteiligten Künstler zur Beschriftung, Be-Zeichnung durch Gemeindemitglieder für die Dauer einer Woche

 
Die Staffelung der Zeiten erlaubt eine Reproduktion des bis dahin Geschehenen an exakt den gleichen Tageszeiten an jedem der Folgetage als Video/Audio-Aufzeichnung, möglicherweise ber WAN/WLAN/Internet nicht nur am Ort des Geschehens, sondern auch über Monitore an sorgfältig ausgewählten anderen Orten. Die Auswahl der beteiligten Künstler kann es erforderlich machen, die Staffelung aufzuheben zugunsten einheitlicher Zeiten für Nachtmusiken, Nachtereignisse, bestimmt durch den Anbruch der Dunkelheit.

Konsequent verlangt das Konzept ein Aufgreifen der Themen primär im Inhaltlichen, nicht im äußerlich Formalen von den beteiligten Künstlern. Darüber hinaus ist das Anliegen dieses Projektes nicht Bildung und Geschichte, was bei der Themenwahl suggeriert sein könnte, sondern geistige Bewegung im Zeitgenössischen. Die Orgelimprovisationen sind ursprünglich gedacht für die Realisation durch den Autor dieses Konzeptes. Vorrang hat eine Realisation durch abendlich wechselnde Organisten. Änderungen am Szenario sind in Folge der beteiligten Künstler, der Gemeinden, der Orte zwangläufig und erwünscht.

Das an den jeweiligen Tagen aktive Künstlerpaar ist frei, beispielsweise aus Gründen der Konzentration nacheinander zu agieren oder auch Verschränkungen zu vereinbaren.
  Die Improvisationen können sich aufeinander beziehen; die Künstler aus dem visuellen Bereich agieren und exponieren Arbeiten, die bis in die Woche nach Pfingsten sichtbar bleiben. Mit den Schriftstellerinnen oder Schriftstellern ist Vergleichbares zu vereinbaren; vielleicht ist ein Ort des Lesens einzurichten.


Gerhard Wolfstieg